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: Die Zeit ist reif für ein Verbot der Rudelbildung vor Fankurven

Fußballspieler und Trainer sollten den Fan ehren, aber auf gar keinen Fall mit ihm diskutieren oder ihm nachlaufen

Es fehlte eigentlich nur noch, dass Kölns Jörg Heinrich mit dem Fuß aufstampfte, sich schreiend auf den Boden warf oder in Tränen der Wut ausbrach. Auch so war seine Gebärdensprache mehr als deutlich. Auf keinen Fall werde er nach dem 0:4 beim VfL Bochum in die Kölner Fankurve gehen, um sich dort beschimpfen und verspotten zu lassen. Doch Manager Andreas Rettig blieb hart. Wie seine Kollegen musste auch Heinrich schließlich zerknirscht zum üblich gewordenen Spießrutenlaufen antreten.

Eine relativ neue Sitte in der Bundesliga, über welche Fußballer anderer Länder vermutlich nur den Kopf schütteln können. Dort läuft man zu den Fans, wenn man gewonnen hat, um sich gebührend feiern zu lassen. Oder man bedankt sich, wenn man verloren hat, aber tapfer gekämpft, und einen die Anhänger bis zum Ende unterstützt und angefeuert haben. Ganz gewiss begibt man sich jedoch nicht zu einer Horde missgelaunter, selbstgefälliger und Beleidigungen ausstoßender Menschen, die schon eine ganze Halbzeit lang jede gelungene Aktion des Gegners höhnisch beklatscht und den eigenen Spielern mitgeteilt haben, dass diese – im Gegensatz zu ihnen selbst – nicht würdig seien, das Trikot des jeweiligen Vereins zu tragen.

Ihre Fortsetzung findet die unsägliche Anbiederung der Vereinsmanager an die Fans inzwischen meist bei den beliebten Sitzblockaden vor dem Mannschaftsbus und den Diskussionen, die arme Spieler und Trainer noch stundenlang mit teils schwer besäuselten Leuten führen müssen, welche die Boulevardschlagzeilen der letzten Woche auf der Zunge tragen und sich zum Beispiel im Glauben wiegen, dass der 1. FC Köln um die Meisterschaft mitspielen müsse oder Hertha BSC eine europäische Spitzenmannschaft sei. Niederlagen können somit bloß dem bösen Willen der Spieler oder der Dummheit des Trainers geschuldet sein. Was diesen natürlich unmissverständlich und prompt mitzuteilen ist.

Der verordnete Kotau in hass-brodelnder Kurve ist jedoch nicht nur Martyrium für gedemütigte Verlierer, sondern symbolisiert auch eine erstaunliche Entwicklung: die Renaissance des Fans. Fast schien er schon abgeschrieben in Zeiten der Versitzplatzung, Logenbildung und Durchkirchung. Doch dann meldete er sich mit der 15.30-Uhr-Aktion sowie ultramäßigen Inszenierungen für Auge und Ohr zurück – und scheint plötzlich unverzichtbarer denn je. Je schlechter der Fußball, desto hofierter der Fan – ob in Berlin, Dortmund, Köln, Hannover oder sonstwo. Dass er dabei ein wenig übermütig wird, liegt in der Natur der Sache, ist aber relativ leicht zu regeln. Durch eine Art „Lex Heinrich“ zum Beispiel: Sofortiges Verbot der Rudelbildung vor Fankurven nach Niederlagen.

MATTI LIESKE